Was mit Nanotechnologie möglich ist...

Mit Hilfe der Nanotechnologie können Lebensmittel länger frisch gehalten werden. Auch das Aussehen, der Geschmack und die Konsistenz können verändert werden. Wichtige Stoffe wie Vitamine, Mineralstoffe oder Aromastoffe können von nanostrukturierten Materialien umgeben und somit "eingekapselt" werden. Diese Kapseln dienen als Schutz für die Wirkstoffe. Empfindliche Stoffe können so besser verarbeitet werden.
 

... und was nicht

Oft ist von Nanotechnologie bei Lebensmitteln von phantasievollen Produkten zu hören. Beispiele für diese zauberhaften Produkte sind Milchshakes, die je nachdem, wie kräftig sie geschüttelt werden, nach Vanille, Erdbeere oder Schokolade schmecken sollen. Oder Pizza, die nach Salami, Schinken oder Pilzen schmecken soll, je nachdem wie sie in der Mikrowelle aufgebacken wird. Solche Lebensmittel sind jedoch nur Vision und haben mit der derzeitigen Wirklichkeit nichts zu tun.
An Nanomaterialien geforscht wird sowohl bei den Herstellern von Lebensmitteln, als auch bei Herstellern von Verpackungen. In der Verpackungsindustrie ist die Verwendung von Nanomaterialien schon weiter fortgeschritten. Realistisch bei Lebensmitteln sind verschiedene Verkapselungssysteme.

 

Wissen wir schon alles?

Darüber, was mit absichtlich hergestellten Nanopartikeln passiert, wenn sie mit dem Lebensmittel in den Körper gelangen, ist noch wenig bekannt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommt in ihrer Studie 2009 zu dem Schluss, dass es bis jetzt zu wenige Informationen für eine Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen von Nanomaterialien in Lebensmitteln gibt. Derzeit überwiegt bei den Experten die Meinung, dass abbaubare Nanopartikel gesundheitlich unbedenklich sind. Handelt es sich um lösliche Nanopartikel, die in Lösung gehen, so sind sie nicht mehr als "Nano" anzusehen. Was mit Partikeln passiert, die unlöslich sind und in ihrer Nanoform verbleiben, daran muss noch weiter geforscht werden.

 

Natürlich vorkommende Nanomaterialien

In der Natur gibt es viele Teilchen in Nanogröße. Auch in Lebensmitteln können von Natur aus Teilchen in Nanogröße zu finden sein. Das Kasein, ein Eiweiß der Milch, ist zum Beispiel als Nanoteilchen vorhanden. Wird Pudding gekocht, können Nanostrukturen entstehen.
Gegen diese natürlich vorkommenden Nanostrukturen gibt es keine Bedenken. Absichtlich hergestellte und unlösliche Nanomaterialien hingegen könnten unerwünschte Wirkungen haben.
 

 

Wie können absichtlich hergestellte Nanomaterialien nützen?

  • Empfindliche Substanzen wie Vitamine können während der Herstellung des Lebensmittels eingekapselt und dadurch besser geschützt werden und nicht so schnell zersetzt werden.
  • Substanzen können an bestimmten Stellen im Körper freigesetzt werden
  • Farbstoffe, die sich normalerweise nicht gut lösen, können lösbar gemacht werden
  • Nicht alle Nährstoffe eines Lebensmittels können vom Körper gleich gut verwertet werden. Durch Nanotechnologie können Stoffe besser verwertet werden (Erhöhung der Bioverfügbarkeit).

 

Wie kann dies erreicht werden?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, empfindliche Substanzen einzukapseln.
Eine Möglichkeit, wie die Vorteile von Nanomaterialien genützt werden können, sind Mizellen. Mizellen sind Kugeln in einer Größe von 5-100 nm. Sie entstehen, wenn Emulgatoren (Emulgatoren ermöglichen es, Wasser und Öl zu vermischen) in Wasser gelöst werden. Im Inneren der Mizelle können fettliebende Substanzen, z.B. bestimmte Vitamine, eingekapselt und so wasserlöslich gemacht werden.

Eine weitere Möglichkeit sind sogenannte Liposomen, die ähnlich wie Mizellen ausschauen. Liposome bestehen aus Lecithin, das aus Eiern oder Soja gewonnen wird. Ein Unterschied zur Mizelle ist, dass sie eine doppellagige Hülle haben und in ihrem Inneren auch wasserlösliche Stoffe eingekapselt werden können. Sie sind aber sehr empfindlich und finden eher in Kosmetika Verwendung.
Eine Emulsion ist, wenn Öltropfen in Wasser (wie bei Milch) oder Wassertropfen in Öl (Margarine) verteilt werden. Wenn sehr feine Öltröpfchen in Wasser verteilt werden, wird von einer Nanoemulsion gesprochen. Nanoemulsionen sind für die Entwicklung von fettreduzierten Lebensmittel interessant.
Nanokapseln und Nanoemulsionen bestehen aus Stoffen, die für die Lebensmittelherstellung zugelassen und geprüft worden sind. Weiters sind sie löslich und biologisch abbaubar und geben nach derzeitigem Wissen keinen Anlass für gesundheitliche Bedenken.

 

Beispiele für Nanomaterialien

Bei der Getränkeherstellung kann der Farbstoff Beta-Carotin verwendet werden. Carotine lösen sich normalerweise nur in Fett und nicht in Wasser. Bei der Herstellung des nanoskaligen Farbstoffs, werden die Farbpartikel von einer Hülle aus Stärke umgeben. So können sie auch in wässrigen Lebensmitteln eingesetzt werden und das Getränk gelb-orange färben.
Siliziumdioxid ist als Lebensmittelzusatzstoff erlaubt, um Lebensmittel wie z. B. Kochsalz und Gewürze gut rieseln zu lassen und ein Verklumpen zu vermeiden. Dabei handelt es sich um Nanopartikel der Kieselsäure. Im fertigen Lebensmittel verbinden sich die Nanoteilchen der Kieselsäure zu größeren Teilchen, die über 100 nm groß sind. Diese gelten als unbedenklich für die Gesundheit.

 

Gibt es offene Fragen?

Darüber, was mit absichtlich hergestellten Nanopartikeln passiert, wenn sie durch den Mund in den Körper gelangen, ist noch wenig bekannt. In Studien wurde gezeigt, dass Nanopartikel biologische Schranken überwinden können. Bleiben sie im Körper? Häufen sie sich an? Lösen sie sich auf? Lösen sie chemische Reaktionen aus? Werden sie wieder ausgeschieden? Werden sie verdaut?
Klar ist, dass die Wirkung sehr stark von der Größe, Form und der Oberfläche abhängt. Lösliche und abbaubare Stoffe verhalten sich anders als unlösliche. Lösliche Nanopartikel bleiben nicht in ihrer Nanoform, deshalb gibt es bei diesen Substanzen derzeit weniger Bedenken für die Gesundheit.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) beschäftigt sich mit der Sicherheit und den Risiken von Nanomaterialien in Lebensmitteln. Wissenschaftliche Stellungnahmen und ein Leitfaden zur Bewertung wurden veröffentlicht. Die EFSA kommt zu dem Schluss, dass bis jetzt verlässliche Analyseverfahren, Methoden der Risikocharakterisierung sowie Daten zum Verhalten der Nanoteilchen im Körper fehlen. Die EFSA empfiehlt, sich jede Anwendung von Nanomaterialien in Lebensmitteln genau anzuschauen und von Fall zu Fall zu bewerten. Das Gutachten und der Leitfaden der EFSA können hier sowie hier nachgelesen werden.

Gesetzlich geregelt werden Lebensmittel, die Nanomaterialien enthalten, von der Verordnung über Neuartige Lebensmittel ("Novel Foods"). Näheres unter "Rechtliches".

 

Lebensmittelzusatzstoff Titandioxid

Titandioxid (TiO2) wird seit mehr als 100 Jahren hergestellt und für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen eingesetzt. Vor allem als weißes Pigment, etwa für Farben und Lacke, Kunststoffe, Papier, Verpackungsmaterialien, Druckertinten und Kosmetika. Auch als Lebensmittelzusatzstoff ist TiO2 seit Jahrzehnten ohne Höchstmengenbeschränkung für fast alle Lebensmittel zugelassen und wird als weißer Farbstoff vor allem für Süßigkeiten (z. B. Kaugummi) und für Überzüge von Backwaren eingesetzt, um diesen Produkten ein optisch ansprechendes Aussehen zu verleihen. In der Zutatenliste ist dieser Zusatzstoff mit der E- Nummer 171 zu deklarieren.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bewertete im Jahr 2016 anhand verfügbarer Studien neuerlich die Sicherheit von TiO2 als Lebensmittelzusatzstoff und kam zum Schluss, dass bei einer Aufnahme über die Nahrung keine gesundheitlichen Bedenken bestünden. Untersuchungen zeigten, dass TiO2 , wenn es durch die Nahrung aufgenommen wird, zu einem Großteil unverändert wieder ausgeschieden wird. Nur ein sehr geringer Teil von maximal 0,1 % gelangt über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf. Es bestehen jedoch noch Datenlücken, die durch weitere Studien geschlossen werden müssen.

Eingesetzt wird E 171 als feines, weißes Pulver. Analysen zeigten, dass diese unterschiedliche Qualitäten haben und der Anteil an Nanopartikeln in einer Größenordnung von unter 100 nm zwischen rund 5 und 45 % der Gesamtanzahl aller Partikel liegen kann. Mögliche gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit diesem nanopartikulären Anteil rückten in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Forschung.

Einzelne Studien der letzten Jahre lieferten durch Untersuchungen an Tieren Hinweise auf ein mögliches krebserregendes Potenzial. Auch könnte E 171 auf Menschen mit chronischen entzündlichen Darmerkrankungen negative Auswirkungen haben, ebenso zeigten sich Effekte auf die Darmflora. Eine französische Studie aus 2020 wies beim Menschen nach, dass Nanopartikel von E 171 durch die Plazenta auf den Fötus übertreten können. Mögliche gesundheitliche Konsequenzen sind jedoch unklar.

Wenngleich keine Studie derzeit eindeutig einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von E 171 und negativen gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen zeigte, so hatte sich die französische Regierung im Sinne des Vorsorgeprinzips entschlossen, die Verwendung dieses Zusatzstoffes ab 1.1.2020 zunächst für ein Jahr zu untersagen und weitere Studien abzuwarten. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass dieser Zusatzstoff für KonsumentInnen keinen Nutzen hat, außer Lebensmittel optisch besser aussehen zu lassen. Im Dezember 2020 wurde dieses Verbot von der französischen Regierung nochmals bis Ende 2021 verlängert.

Auf gesamteuropäischer Ebene wird derzeit eine gemeinschaftliche Lösung diskutiert, um für alle KonsumentInnen in der EU ein gleichermaßen hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Ein von der Europäischen Kommission vorgelegter Vorschlag für eine Abänderung der gesetzlichen Vorgaben für die Verwendung von E 171 als Lebensmittelzusatzstoff, mit der etwa der Anteil der Nanopartikel auf höchsten 50 % begrenzt werden sollte, wurde vom Europäischen Parlament abgelehnt. Den Mitgliedern des Europäischen Parlaments ging dies nicht weit genug, sondern sie fordern ein generelles Verbot von E 171 in der EU. Auf Ebene der EU wird demnach weiterhin ein gemeinschaftlicher Weg gesucht werden müssen, den Österreich unterstützen wird.

Von Seiten der Lebensmittelindustrie wird betont, dass E 171 ein sicherer Lebensmittelzusatzstoff sei. Viele große Süß - und Backwarenhersteller verwenden dennoch TiO 2 nicht mehr für ihre Produkte und weitere haben angekündigt, zukünftig Alternativen zu diesem weißen Farbstoff einsetzen zu wollen.

 

Neue Sicherheitsbewertung durch die EFSA


In einer wissenschaftlichen Stellungnahme vom März 2021 (veröffentlicht am 6. Mai 2021) revidiert die EFSA ihre Sicherheitsbewertung aus dem Jahr 2016 und stellt fest, dass TiO2 als Lebensmittelzusatzstoff E 171 nicht mehr als sicher einzustufen sei.

Zu dieser Erkenntnis kamen die ExpertInnen des EFSA-Sachverständigengremiums für Lebensmittelzusatzstoffe und Aromastoffe (FAF) nach Überprüfung einer Vielzahl neuer Studien – darunter auch eine seit langem geforderte erweiterten Ein-Generationen-Reproduktionstoxizitätsstudie. Das Gremium betonte erneut, dass zwar die Aufnahme von TiO2-Partikel durch den Verdauungstrakt sehr gering wäre, eine Anhäufung im Körper aber nicht ausgeschlossen werden kann. Die Partikel haben das Potenzial das Erbgut (DNA) in den Zellen zu schädigen, wie neue Studien zeigen. Dieser mögliche schädliche Effekt wird als Genotoxizität bezeichnet und kann die Entstehung von Krebserkrankungen verursachen, weshalb die genotoxische Wirkung jedes Lebensmittelzusatzstoffs genau überprüft werden muss. Einen Zusammenhang zwischen der Größe und Form der TiO2-Partikel und ihrer Agglomerate (Zusammenballungen) in E 171und den genotoxischen Effekten konnten die Studien nicht aufzeigen. Das bedeutet, dass keine bestimmte Partikelgröße festgelegt werden kann, bei der bzw. ab der diese Effekte auftreten. Ebenso ist der genaue Mechanismus, wie es zu solchen Schädigungen kommt, noch unklar. Vermutet werden verschiedene Wirkmechanismen.

Basierend auf den neuen Erkenntnissen und nach wie vor bestehender Unsicherheiten in Zusammenhang mit der Verwendung von E 171 in Lebensmitteln kam das Gremium zum Schluss, dass der Einsatz von E 171 nicht mehr als sicher zu bewerten sei.



Verbot von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff


Auf gesamteuropäischer Ebene wurde eine gemeinschaftliche Lösung diskutiert, um für alle KonsumentInnen in der EU ein gleichermaßen hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Ein von der Europäischen Kommission vorgelegter Vorschlag auf Basis der Bewertung durch die EFSA, Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff zu verbieten, wurde im Oktober 2021 von den Mitgliedsstaaten angenommen und mit der Verordnung 2022/63 vom 14. Jänner 2022 umgesetzt. Nach einer Auslaufphase von sechs Monaten ist E 171 als Lebensmittelzusatzstoff in der EU ab 7. August 2022 verboten. Weiter erlaubt ist die Verwendung als Farbstoff in Arzneimitteln, wobei die Europäische Kommission innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung prüfen will, ob eine Notwendigkeit dafür noch besteht.

 

... aber: Ist Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff tatsächlich gefährlich?
 

Kritik an der Risikoabschätzung von E 171 wird von manchen WissenschaftlerInnen geäußert. Tatsächlich zeigen die bislang durchgeführten Studien zu möglichen Gesundheitsrisiken teilweise widersprüchliche Ergebnisse. Untersuchungen werden oft mit ausschließlich nanoskaligem Titandioxid durchgeführt und die Nanopartikel mit Ultraschallverfahren daran gehindert, sich zusammenzuballen. Tatsächlich besteht E 171 aber aus Partikeln unterschiedlicher Größe und nur ein Teil davon liegt in Nanogröße vor (siehe weiter oben). Außerdem verbinden sich die Partikel natürlicherweise in Wasser oder im Lebensmittel rasch zu größeren Einheiten, sogenannten Aggregaten oder Agglomeraten. Dadurch geht der „Nanoeffekt“ verloren und damit auch zum großen Teil die potenzielle Gefahr der Nanoteilchen. Durch die Zusammenballung sinkt auch die Bioverfügbarkeit und nur extrem geringe Mengen von E 171 können tatsächlich aus dem Lebensmittel in den Blutkreislauf aufgenommen werden. Die Gefährlichkeit des Nanopartikelanteils in E 171 wird nach Meinung einiger WissenschaftlerInnen wahrscheinlich überschätzt. Dennoch wäre ein Verbot gerechtfertigt, da dieser Lebensmittelzusatzstoff aus rein optischen Gründen eingesetzt wird und mögliche Langzeiteffekte auf die Darmschleimhaut nicht ausgeschlossen werden können.
In Zukunft sollte jedoch darauf geachtet werden, dass neu entwickelte Stoffe, die für
KonsumentInnen einen tatsächlichen Nutzen bringen können, etwa um die Qualität, Nährwert,Frische oder Nachhaltigkeit eines Lebensmittels zu erhöhen, einer realistischen und ausgewogenen Risikoabschätzung unterzogen werden.