Arbeitsplatzbelastungen und mögliche Schädigungen durch Titandioxid-Feinstäube und -Nanopartikel

Die EU-Chemikalienagentur ECHA hat im Herbst 2020 Titandioxid (TiO2) als 'möglicherweise krebserzeugend' eingestuft [1], [2]. Im Rahmen der CLP-Verordnung (Classification, Labelling, Packaging) wurde festgelegt, dass ab Oktober 2021 Produkte, die TiO2 Partikel freisetzen könnten, mit Gefahrenhinweisen versehen werden müssen [3].

Titandioxid ist ein unlösliches weißes Pulver und besitzt neben einem hohen Aufhellvermögen aufgrund seines hohen Brechungsindexes auch das höchste Deckvermögen aller Weißpigmente. Es stellt daher einen weit verbreiteten Produktbestandteil für Farben und Lacke, Kunststoffe, Kosmetika, Textilien, Papiere, wie auch für Lebensmittel dar. Die weltweite Produktionsmenge liegt bei mehreren Millionen Tonnen je Jahr. Unter der Bezeichnung 'E171' ist TiO2 im EU-Bereich seit 1969 als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen und dient hierbei vor allem für die Verbesserung der Textur.

Da das maximale Deckvermögen von Titandioxid bei einer Korngröße von 200-300 nm liegt, werden zumeist TiO2-Partikel mit mittleren Durchmessern um 200 nm hergestellt, doch es sind oft erhebliche Anteile von TiO2-Nanopartikeln (< 100 nm) darin enthalten, und damit ist Nano-TiO2 das wohl am häufigsten verwendete pulverförmige Nanomaterial. Nanoskaliges Titandioxid weist im Vergleich zu mikroskaligen folgende zusätzliche Risiken auf: es kann sowohl die Blut-Hirn-Schranke als auch die Placenta-Schranke passieren und ist auch alveolengängig.

Umfangreiche Details zur Verwendung , den möglichen Umweltauswirkungen und Gefahren von Nano-TiO2 sind in einigen 'NanoTrust'-Dossiers zu finden, die vom Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW in den letzten Jahren publiziert wurden [4].

 

Titandioxid (TiO2) in Lebensmitteln, Medikamenten und Kosmetika – Hinweise auf besondere gesundheitliche Risiken

Die Verwendung von TiO2 als Nahrungsmittelzusatz oder als Bestandteil von Medikamenten bzw. Kosmetika bringt den menschlichen Körper in engen Kontakt mit diesem Material. Die möglichen Risiken, die eine Aufnahme von TiO2-Nanopartikeln mit der Nahrung, aber auch als Folge einer Inhalation mit sich bringen könnten, wurden seit Jahren von Behörden und Forschungseinrichtungen untersucht und diskutiert.

Neuere Studien liefern deutliche Hinweise darauf, dass

  • TiO2-Partikel durch die Darmwände von Tieren und Menschen hindurchtreten können;
  • eine Bioakkumulation von TiO2-Partikel in inneren Organen stattfindet;
  • solche TiO2-Depots kaum wieder abgebaut werden, und
  • als Folge solcher TiO2-Aufnahme in Tierversuchen histopathologische und physiologische Veränderungen in einer Reihe von Organen auftreten[5].

 

Die EFSA, die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit gab im Mai 2021 eine neue kritische Bewertung zur Verwendung von (TiO2) ab: es seien Entzündungen, neurotoxische und auch immunotoxische Auswirkungen nach der Aufnahme von TiO2-Partikeln beobachtet worden, und auch gentoxische Effekte erscheinen als möglich : " … auf der Basis all der vorliegenden Belege und angesichts der zahlreichen Ungewissheiten kam das Bewertungsgremium daher zur Einschätzung, dass E171 für die Verwendung als Lebensmittelzusatz in Zukunft nicht mehr als sicher angesehen werden sollte."

Bereits zuvor, am 31. August 2020, hatte der Umweltausschuss des EU-Parlamentes gefordert, E171 von der Liste der zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe zu streichen [6] und nach der Veröffentlichung der neuen kritischen EFSA-Bewertung im Mai 2021 hat sich auch die zuständige EU-Kommissarin, Stella Kyriakides, der Forderung nach einem Verbot der E171/TiO2-Verwendung angeschlossen [7].

 

Titandioxid (TiO2) als Risikofaktor an Arbeitsplätzen

Da eine Aufnahme von TiO2 in den menschlichen Körper gesundheitliche Risiken hervorrufen kann, müssen diese Risiken insbesondere auch an den Arbeitsplätzen beachtet werden, wo bei der Produktion und bei der weiteren Verarbeitung die besonders kleinen (Nano-)Partikel inhaliert werden können und dann tief in die Verästelungen des Lungengewebes und weiter in das Blutsystem gelangen können [8]. Bei Studien in europäischen Produktionsbetrieben wurden für exponierte Personen TiO2-Belastungen von bis zu 8 mg/m3 gemessen [9].

 

Vorschläge für Vorsorgemaßnahmen und Arbeitsplatz-Grenzwerte

Sowohl von der EU-OSHA, der Agentur für Sicherheits- und Gesundheitsaspekte am Arbeitsplatz [10], wie auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO [11] wurden gute Zusammenfassungen über Gefahren durch Nanomaterialien an Arbeitsplätzen und über sinnvolle Maßnahmen, solche Expositionen einzudämmen, vorgelegt. Hierbei handelt es sich um die bereits vorgestellte Hierarchie von Maßnahmen:

S: die Substitution von besonders gefährlichen Substanzen,

T: um technologische Maßnahmen (wie Entlüftung),

O: um organisatorische Maßnahmen (wie Aus- und Weiterbildung, Dokumentation und Arbeitsanweisungen, Zugangseinschränkungen), und

P: um persönliche Schutzmaßnahmen (wie Arbeitskleidung. Schutzhandschuhe, Schutzbrillen, Atemgeräte).

 

Einige Behörden haben auch spezifische Grenzwertempfehlungen für Nano-TiO2 veröffentlicht:

  • die U.S. Arbeitsschutzagentur NIOSH hat einen Arbeitsplatz-Grenzwert von 2,4 mg/m3 (für TiO2-Feinstaub) und einen weiteren, noch restriktiveren Grenzwert von nur 0,3 mg/m3 (für nanoskalige Stäube) vorgeschlagen [12]. Bestimmend dafür war die erhöhte Rate von Lungenkarzinomen, die bei Tierversuchen nach der Inhalation von Nano-TiO2 beobachtet wurde;
  • von der französischen Gesundheitsbehörde ANSES wurde im März 2021 ein Nano-TiO2-Grenzwert für Arbeitskräfte vorgeschlagen, bei denen bei Verwendung von P25-TiO2-Nanopartikeln[A] eine Belastung von 0,80 μg/m3 über einen Zeitraum von 8 h nicht überschritten werden sollte. Und für kurzfristige Belastungen – bei einer Dauer von nicht mehr als 15 Minuten – sollte die Belastung 4,0 μg/m3 nicht überschreiten[13]. Bereits 2019 wurde von der ANSES ein Grenzwert für anhaltende / chronische Belastungen der allgemeinen Bevölkerung durch inhalierbare TiO2 Nanopartikel vorgeschlagen [14] – dabei sollten 0,12 μg/m3 nicht überschritten werden. Laut ANSES besteht die bedeutendste kritische Auswirkung einer Inhalation von TiO2-Nanopartikeln in der Auslösung von Entzündungen der Lunge. Daneben liegen auch Hinweise auf Auswirkungen auf das Gehirn, das Herz-Kreislaufsystem, auf die Leber und die Nieren vor. Auch die Entwicklung von Ungeborenen könnte beeinflusst werden.
  • die deutsche Berufsgenossenschaft für die Chemische Industrie, BG RCI ist hingegen der Auf-fassung[15], dass auch nach der CLP-Einstufung von TiO2 als "vermutlich krebserzeugend" eine Änderung der Schutzmaßnahmen nicht notwendig ist. Es sei, wie bisher, der allgemeine Staubgrenzwert einzuhalten (für GBS-'granuläre, biobeständige Stäube' sind dies 1.25 mg/m3 für den A-Staub und 10 mg/m3 für den E-Staub) – hierzu  merkt ein Positionspapier der deutschen BAuA, 'Deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin' [16] vom Sommer 2019 allerdings an, dass für die 'nicht-kompakten nanoskaligen GBS' ein niedrigerer Luftgrenzwert von 500 µg/m3 eingehalten werden sollte;
  • in Österreich gilt derzeit (Stand: Juli 2021) gemäß der Grenzwerteverordnung (GKV 2021) [17], [18] für TiO2-Stäube ein Tagesmittelwert (8h-Schicht) von 5 mg/m3 (für die alveolengängige Fraktion < 4 µm aerodynamischer Durchmesser) sowie ein Kurzzeitwert von 10 mg/m³ (Mittelwert über 60 min, nicht mehr als 2x pro 8h-Schicht). TiO2 wird in Österreich als 'biologisch inerter Schwebstoff' angesehen und gilt daher als nicht krebserzeugend.

 

Zusätzlich empfiehlt das französische Beratungsgremium für öffentliche Gesundheit [19] besondere Schutzmaßnahmen für jene Arbeitskräfte vorzusehen, die mit der Herstellung und Weiterverarbeitung von Nano-TiO2 beschäftigt sind. Bei diesen Personen sollten laufend die Belastungen gemessen und dokumentiert werden. Zudem wird eine kontinuierliche gesundheitliche Überwachung dieser Arbeitskräfte für erforderlich angesehen, u.a. auch durch Röntgenaufnahmen der Lunge.

 


[A] TiO2-Partikel der Art ‚P25‘ bezeichnen eine Mischung von 80% Anatase-TiO2 und 20% Rutil-TiO2, mit mittleren Partikelgrößen von 20-25 nm.

 


 

 

 

Literatur zu Titandioxid-Feinstäube und -Nanopartikel

[1] ECHA -European Chemicals Agency: Titanium dioxide proposed to be classified as suspected of causing cancer when inhaled, ECHA/PR/17/10 (9. June 2017)

[2] ECHA - European Chemicals Agency: Verständnis der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008, über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen …

[3] (Amtsblatt der EU vom 25.02.2020): Berichtigung der delegierten Verordnung (EU) 2020/217 .. zu CLP etc. – Inkrafttreten und Anwendung: Sie gilt ab dem 1. Oktober 2021

[4] ITA-Nanotrust-Dossiers– R. Fries, M. Simkó : Nano-Titandioxid - Teil 1: Grundlagen, Herstellung, Anwendung (Sept. 2012),

M. Simkó, R. Fries : Nano-Titandioxid - Teil 2: Gesundheitsgefährdungspotentiale (Sept. 2012),

M. Simkó, R.Fries : Nano-Titandioxid - Teil 3: Umwelteffekte (Sept. 2012),

S. Greßler, G. Rose, A. Gazsó, A. Pavlicek: Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff (Mai 2020),

[5] European Food Safety Authority – EFSA: Safety assessment of titanium dioxide (E171) as a food additive; EFSA journal 2021; 19(5): 6585, (130 p.),

[6] European Parliament - Committee on the Environment, Public Health and Food Safety (31. Aug. 2020)

[7] Stella Kyriakides – Tweet (6. Mai 2021, 6:44 p.m.),

[8] Netherlands National Institute for Public Health and the Environment, Assessing health and environmental risk of nanoparticles

RIVM Report 2014-0157, 149 p.; darin : S. 98 ff.: Nanomaterials and Occupational Risks; .. the highest risk of exposure to nanoparticles in workplaces is during production and the main route of exposure is by inhalation …

[9] P. Boffetta, A. Soutar, J.W: Cherrie, F. Granath, A. Andersen, A. Antilla et al.: Mortality among workers employed in the titanium dioxide production industry in Europe; Cancer Causes & Control (2004), Vol. 15, No. 7, p. 697 - 706

[10] European Agency for Safety and Health at Work: Healthy Workplaces / Manage Dangerous Substances 2018-19, Publication on manufactured nanomaterials in the workplace (03/10/2018), 8 p.

[11] WHO – World Health Organization: Guidelines on protecting workers from potential risks of manufactured nanomaterials, (2017), 85 p.

[12] U.S. NIOSH: Current Intelligence Bulletin 63 – Occupational Exposure to Titanium Dioxide (April 2011), 140 p.

[13] ANSES: Dioxyde de titane sous forme nanoparticulaire: recommendation de valeurs limités d’exposition professionnelle, (04.03.2021)

[14] ANSES : Dioxide de titane sous forme nanoparticulaire : l’Anses définit une Valeur Toxicologique de Réference (VTR) pour l’exposition chronique par inhalation (02.04.2019); ANSES-Bericht : Valeurs toxicologiques de référence / Le dioxyde de titane sous forme nanoparticulaire, 120 p., (Jan. 2019), (teilw. in englisch)

[15] BG RCI – Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie: Änderung der CLP-Verordnung veröffentlicht – Titandioxid als vermutlich krebserzeugend eingestuft

[16] BAuA, Rolf Packroff: Positionspapier der BAuA vom 20. August 2019, 5 S.

[17] RIS – Rechtsinformationssystem des Bundes, Bundesrecht konsolidiert – Grenzwerteverordnung 2021, tagesaktuelle Fassung, (12.04.2021)

 

 

 

Freisetzung von Nanobestandteilen aus CNT-Kompositmaterialien

Die sehr stabilen, leichten und zugleich auch äußerst reißfesten Kohlenstoff-Nanoröhrchen (engl. „carbon nanotubes“ – CNT) werden oft als stabilisierende Verstärkungen von Polymer-Kompositen verwendet. Sie verleihen den daraus hergestellten Bauteilen hohe Festigkeit und werden vor allem im Fahrzeug- und Flugzeugbau eingesetzt.

Im Hinblick auf ihre Verwendung im Leichtbau ist die hohe Stabilität und chemische Beständigkeit dieser CNT-Fasern (mit Durchmessern von nur wenigen Nanometern und Längen im Millimeterbereich) ein wichtiger Vorteil. Doch zugleich bringt diese Beständigkeit – gemeinsam mit Form und Größe dieser winzigen Fasern – Bedenken mit sich, da solche CNT-Materialien in der Umwelt und im menschlichen Körper nicht abgebaut werden können. Als besonders gefährlich gilt eine Inhalation von CNT-Fasern. Mehrere Studien haben belegt, dass dadurch ähnlich ernste Schädigungen entstehen können, wie sie durch die – ebenfalls sehr beständigen – kleinen Asbest-Fasern hervorgerufen werden.

 

Selbst die Einbettung von CNT-Fasern in eine Polymer-Matrix kann nicht vollständig vor einem Kontakt mit diesen Fasern schützen. Eine 2013 veröffentlichte Arbeit [1] beschreibt, dass eine Freisetzung von CNTs aus diesen Verbundmaterialien in allen Phasen der Verwendung grundsätzlich erfolgen kann. Dies kann sowohl bei der Herstellung des Verbundwerkstoffes geschehen, wie auch durch Verwitterung und Abnutzung während der Verwendung, und auch am Ende der Lebensdauer, bei der Wiederaufbereitung, Deponierung oder Verbrennung.

 

Allerdings sind die Risiken einer solchen Freisetzung unterschiedlich verteilt. Eine Studie der US-EPA [2] hält fest, dass folgende vier Aktivitäten das größte Potential für eine unerwünschte Freisetzung mit sich bringen:

 

  • der Umgang mit größeren Mengen von CNT-Materialien, die in der Form von Stäuben oder Pulver vorliegen oder bei denen diese entstehen können;
  • die Herstellung von Polymer-Gemischen, in die CNT-Materialien eingearbeitet werden und bei denen eine Entstehung von Stäuben nicht ausgeschlossen werden kann;
  • Aktivitäten der Wiederaufbereitung (z.B. Aufmahlung, chemische Behandlung, Wiederverwendung), bei denen Aerosole und Feinstäube entstehen können;
  • unzureichend kontrollierte Verbrennungsprozesse, bei denen zwar die Epoxy-Matrix zerstört wird, die darin enthaltenen CNT-Bestandteile jedoch nicht.

 

Die vom britischen Institut für Arbeitsmedizin begründete SAFENANO-Initiative hat bereits 2011 zum Thema von 'Epoxy-Materialien und CNTs' ein Merkblatt veröffentlicht [3], in dem die drei am ehesten gefährdeten Gruppen von Arbeitskräften genannt werden:

  • Beschäftigte in der CNT-Produktion
  • Beschäftige bei der Herstellung und Verarbeitung von Kompositen
  • im Abfallbereich arbeitende Beschäftigte

 

Da alle Polymere unter dem Einfluss von Sonnenstrahlung, Feuchtigkeit und Temperaturveränderungen spröde werden und Rissbildungen zeigen [4], können aus Komposit-Komponenten auch während der Phase ihrer Nutzung CNT-Fasern freigelegt werden und in die Umwelt gelangen [5] [6].

Eine Reihe von Arbeiten [7] [8] [9] hat sich mit diesen möglichen CNT-Freisetzungen auseinandergesetzt.

Allerdings ist es bisher noch nicht gelungen Methoden und Standards zu entwickeln, die eine Abschätzung des Ausmaßes der CNT-Freisetzungen erlauben würden. Denn das breite Spektrum der Epoxy-/Polymer-Materialien, wie auch die Vielfalt der beigemengten Arten von CNTs lässt keine klaren Aussagen über mögliche Risiken zu.

 

Einige Forschungsgruppen [10], [11] haben nun Leitlinien und Entwürfe zu 'konzeptuellen Rahmen' für eine Beurteilung solcher Freisetzungen vorgelegt. Zudem wird im Rahmen der OECD-Arbeitsgruppe für Nano-materialien, der 'OECD-WPNM' und einer 'NanoRelease' Arbeitsgruppe [12] über Möglichkeiten diskutiert, die Freisetzung von Nanomaterialien aus Konsumprodukten zu analysieren. Auch die europäischen Standardisierungsorganisationen entwerfen Dokumente, um zu einem sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit Nanomaterialien beizutragen, wie dies die EU-Kommission in ihrem Mandat vom Februar 2010 [13] vorsieht.

 


 

 

Literatur zu Nanobestandteilen aus CNT-Kompositmaterialien

[1] B. Nowack, R.M. David et al.: Potential release scenarios for carbon nanotubes used in composites, Environment International (Sept. 2013), Vol. 59, P. 1 - 11,

[2] Ch. Kingston, R. Zepp, A. Andrady, D. Boverhof et al.: Release characteristics of selected carbon nanotube polymer composites,Carbon (March 2013), Vol. 68, pp. 33 - 57,

[3] SAFENANO - Nanotechnology Hazard and Risk (2011) :Epoxy Resins and Carbon Nanotubes

[4] S. Pongratz : Die Alterung von Kunststoffen während der Verarbeitung und im Gebrauch, Dissertation (Dr.-Ing.), Univ. Erlangen-Nürnberg (Juli 2000), 156 S.

[5] E.J. Petersen, L. Zhang, N.T. Mattison et al.: Potential Release Pathways, Environmental Fate, and Ecological Risks of Carbon Nanotubes, Env. Science & Technology ( 2011), Vol. 45, pp. 9837 - 9856

[6] C. Han, E. Sahle-Demessie et al.: Polypropylene-MWCNT composite degradation, and release, detection and toxicity of MWCNTs during acclerated environmental aging, U.S. EPA (2019), Env. Science : Nano, Vol. 6, pp. 1876 - 1894, ( paywall )

[7] B. Nowack, R.M. David et al.: Potential release scenarios for carbon nanotubes used in composites, Environment International (Sept. 2013), Vol. 59, P. 1 - 11,

[8] Q. Chaudry, R. Aitken, S. Hankin, K. Donaldson, S. Olsen et al.: Nanolifecycle - A Lifecycle Assessment Study of the Route and Extent of Human Exposure via Inhalation for Commercially available Products and Applications containing Carbon Nanotubes, (2009), 82 p.

[9] E.J. Petersen, L. Zhang, N.T. Mattison et al.: Potential Release Pathways, Environmental Fate, and Ecological Risks of Carbon Nanotubes, Env. Science & Technology ( 2011), Vol. 45, pp. 9837 - 9856

[10] J. Ging, R. Tejerina-Anton, G. Ramakrishnan et al.: Development of a conceptual framework for evaluation of nanomaterials release from nanocomposites : Environmental and toxicological implications, Science of the Total Environment (2014), Vol. 473 - 474, pp. 9 - 19

[11] SIRENA - Simulation of the Release of Nanomaterials from Consumer Products for Environmental Exposure Assessment, Report LIFE 11 ENV/ES 596 (Dec. 2015), 29 p.,

[12] K.C. Scott, F. Meisenkothen (NIST) - NanoRelease Consumer Products: Developing consensus measurement approaches for the analysis of release materials from nanocomposites (May 2016)

[13] EU-Commission : European Standards – Standardisation Mandates : Mandate addressed to CEN, CENELEC and ETSI for standardization activities regarding nanotechnologies and nanomaterials, (December 2009)

 

 

An welchen Arbeitsplätzen ist Kontakt mit Nanomaterialien möglich?

Die bei Verbrennungs- bzw. Schweißvorgängen freigesetzten Nanopartikel werden hier nicht berücksichtigt, da es mit diesen Nanopartikeln bereits jahrelange Erfahrungen hinsichtlich Gesundheits- und Umweltrisiken gibt. In Analogie zu den Erfahrungen mit den freigesetzten Nanopartikeln können für synthetisch hergestellte Nanomaterialien entsprechende Schutzmaßnahmen abgeleitet werden.

Zu der Anzahl der Beschäftigten, die an ihren Arbeitsplätzen mit synthetisch hergestellten Nanomaterialien umgehen, liegen bisher nur einige und wenig zuverlässige Angaben vor. Eine Übersichtsstudie der EU-Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz gibt an, dass die höchsten Risiken für Belastungen mit synthetisch hergestellten Nanopartikeln an den Arbeitsplätzen der Fahrzeug- und Luftfahrtindustrie, in der Energiewirtschaft, der Textilien- , der Bau- und der Chemischen Industrie sowie im Bereich der Elektronik und Kommunikation, aber auch des Gesundheitssektors auftreten können. Vom 'ETUI', dem Institut der europäischen Gewerkschaften, wurde eine umfassende Übersicht der vorliegenden Daten aus mehreren Ländern publiziert.

Es gibt noch keinen Sektor für Nanotechnologie und daher keine klaren statistischen Kennzahlen. Auf der Grundlage von (teilweise unvollständigen) Abschätzungen und Befragungen in der Schweiz, Frankreich und in den Niederlanden, sind dies derzeit einige Tausend Beschäftigte auf 'Nano-Arbeitsplätzen' – und dies ist ein Anteil von weniger als einem Prozent aller Arbeitskräfte.  Eine im Jahr 2013 vorgelegte Publikation des deutschen Forschungsministeriums berichtet von mehr als 10.000 Mitarbeitern im Bereich der Nanotechnologie in Deutschland. Für die Zukunft wird von Beobachtern eine Zunahme des Anteils von Nano-Arbeitsplätzen erwartet.

Eine verbesserte Sammlung von Arbeitsplatzdaten ist auch seit Jahren von der Vereinigung der europäischen Gewerkschaften, der 'European Trade Union Confederation (ETUC)' gefordert worden. Im Dezember 2010 hat der Exekutivausschuss eine Resolution zum Umgang mit Nanotechnologien und Nanomaterialien beschlossen, die sich klar dafür ausspricht, aus Vorsorge für die Millionen von Beschäftigten, die in den kommenden Jahren vom Umgang mit Nanosubstanzen betroffen sein könnten, konkrete Maßnahmen an den Arbeitsplätzen zu entwickeln - es müsse bekannt sein, wer  und in welchem Ausmaß belastet wird, um welche Arten von Nanomaterialien es dabei geht, und welche Schutzmaßnahmen installiert wurden. Die ETUC fordert daher die Mitgliedsstaaten auf, ein Register der belasteten Beschäftigten einzurichten:

  1. welche Personen exponiert waren;
  2. welche Umstände, Dauer und welches Ausmaß der Belastung dabei bestand;
  3. welche persönlichen Schutzvorkehrungen getroffen wurden;
  4. wie hoch die Konzentration der Nanopartikel war.


Eine im Frühjahr 2012 veröffentlichte Publikation des französischen Institutes für die Sicherheit an den Arbeitsplätzen zum Umgang mit Nanomaterialien in den Laboratorien gibt auf der Basis von Schätzungen an, dass "im Zeithorizont bis 2015 als Folge des Aufschwungs der Verwendung von Nanomaterialien etwa 10 % aller Arbeitsplätze im Herstellungssektor betroffen sein könnten"?


Bei der Herstellung von Nanomaterialien ist dem Betrieb bekannt, womit gearbeitet wird. Daher können Beschäftigte im (Forschungs-)Labor, in der Produktion oder während Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten diese Nanomaterialien nur dann einatmen, wenn die Schutzmaßnahmen ungenügend sind oder diese Information in Form einer Unterweisung nicht weitergegeben wurde.
In der Weiterverarbeitung, z.B. bei der Zugabe von Nanomaterialien zu Produkten wie Kunststoffen oder Lacken, nimmt die Information, dass mit Nanomaterialien gearbeitet wird, ab. Das liegt vor allem an der derzeit noch fehlenden Kennzeichnung von Nanomaterialien oder Nanoprodukten. Besonders schwierig wird die Beurteilung dann, wenn nanohaltige Produkte weiterverarbeitet werden, ohne dass auf der Verpackung oder im Sicherheitsdatenblatt Hinweise auf Nanomaterialien zu finden sind.
Ob Beschäftigte tatsächlich gefährdet sind, hängt davon ab, wie stark die Nanomaterialien im Produkt gebunden sind und ob beim Arbeitsverfahren Staub oder Nebel entstehen können.
Besonders wenige Informationen haben Arbeitgeber und Beschäftigte in der Entsorgung. Gerade für diese Arbeitsplätze ist die Information, ob Nanomaterialien in den Abfällen enthalten sind, besonders wichtig, um die richtigen Schutzmaßnahmen treffen zu können.
Forschung zum sicheren Umgang mit Nanopartikeln am Arbeitsplatz
Viele neue Nanomaterialien werden entwickelt, in größeren Mengen produziert und angewendet. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit einer Exposition am Arbeitsplatz gegenüber Nanopartikeln immer größer und Risikoforschung immer wichtiger. Europaweit laufen derzeit große Forschungsprojekte zu einigen wichtigen Fragen wie Expositionshöhe, inhalative und dermale Aufnahme, Wirkungsmechanismen und gesundheitliche Auswirkungen und Sicherheit von eingesetzten Schutzmaßnahmen. In Österreich gibt es auch einige Institutionen, die sich mit arbeitsplatzbezogener Forschung beschäftigen. 
 

Nanocarrier

Als 'Nanocarrier' bezeichnet man Strukturen, die als innovative Transport- oder Verkapselungssysteme für aktive Wirkstoffe dienen. Diese Strukturen liegen für gewöhnlich im Größenbereich zwischen 1 und 100 nm, angelehnt an die Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission für Nanomaterialien, wobei neueste Studien auch Strukturen bis 1000nm miteinschließen[i]. Ein wichtiger Anwendungsbereich ist die Medizin, wobei Nanocarrier sowohl in der Therapie, z.B. Krebstherapie, als auch in der Diagnostik eingesetzt werden können. Nanocarrier erleichtern den zielgerichteten Transport sowie die kontrollierte Freisetzung von Wirkstoffen. Beispielsweise ermöglichen die spezifischen Eigenschaften der Nanocarrier eine hohe Zielgenauigkeit ('target delivery') und somit das gezielte Ansprechen von kranken Körperzellen, ohne dass andere Zellen und Organe den oft belastenden Nebenwirkungen von z.B. Zytostatika ausgesetzt werden. [ii] Ebenso können Nanocarrier auch als Transportmittel für diagnostische Hilfsstoffe in bildgebenden Verfahren (z.B. Kontrastmittel, Fluoreszenzfarbstoffe, etc.) zum Einsatz kommen[iii] [iv] [v].

 

Ein weiteres Feld der Anwendung wird im Bereich der Landwirtschaft gesehen. Hier könnten sich Verfahren zur gezielten Verabreichung von Düngemitteln und / oder Pflanzenschutzmitteln (Pestizide, Insektizide, Fungizide, Herbizide, u. ä.) mit Hilfe von Nanocarriern als vorteilhaft erweisen. Analog zur Medizin können somit die Wirkstoffe gezielt zu bestimmten Pflanzenorganen transportiert und kontrolliert über einen längeren Zeitraum abgegeben werden i.

 

Auch im Bereich der stark wachsenden Kosmetikindustrie werden zunehmend Nanocarrier zur verbesserten und gezielteren Freisetzung von Substanzen und zur Erhöhung der Stabilität angeboten[vi]. Solche Systeme sind bereits z.B. als Hautcremes, Anti-Aging- oder Bräunungsmittel auf dem Markt.

 

Die möglichen Gesundheits- und Umweltrisiken von Nanocarriern sollten jedoch trotz der erhofften Vorteile nicht unberücksichtigt bleiben. So sind das Schicksal und der Abbau des Carriers und seiner Inhaltstoffe noch nicht ausreichend erforscht. Hinsichtlich der Arbeitssicherheit müssen die gesundheitlichen Auswirkungen von Nanocarriern für besondere Anwendergruppen (wie z.B. medizinisches Personal, Beschäftigte in der Landwirtschaft, Labormitarbeiter, etc.) berücksichtigt werden.

 

[i] P. Chariou, O. Artega-Rivera, N.F. Steinmetz: Nanocarriers for the Delivery of Medical, Veterinary and Agricultural Active Ingredients, ACS Nano, 2020, Vol. 14, pp. 2678 – 2701, https://dx.doi.org/10.1021/acsnano.0c00173 

 

[ii] M. Ferrari : Cancer Nanotechnology - Opportunities and Challenges,nature reviews cancer, (March 2005), Vol. 5, pp. 161 – 171, https://doi.org/10.1038/nrc1566  ( paywall ) https://www.cure4kids.org/private/jom/jom54/cancer%20nanotechnology.pdf ( open access )

 

[iii] Universitätsklinikum Jena : Toxikologische Charakterisierung von Nanomaterialien für die diagnostische Bildgebung in der Medizin, NanoMed-Konsortium, https://www.uniklinikum-jena.de/photonik/Forschung/Nanopartikel+f%C3%BCr+die+Sensorik+und+biomedizinische+Anwendungen.html

 

[iv] A. Sharma, N. Jain, R. Sareen: Nanocarriers for Diagnosis and Targeting of Breast Cancer, Hindawi Publishing Corporation, BioMed Research International, Volume 2013, Article ID 960821, 10 pages https://doi.org/10.1155/2013/960821

 

[v] WIPO- Patent No. WO2020112822 : Nanocarrier Systems for Imaging and Delivery of Active Agents, (04.06.2020), https://patentscope.wipo.int/search/en/detail.jsf?docId=WO2020112822

 

[vi] Ch. Oliveira, Ch. Coelho, J.A. Teixeira et al.: Nanocarriers as Active Ingredients Enhancers in the Cosmetics Industry - The European and North America Regulation Challenges, Molecules (March 2022, Vol. 27(5), 1669, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8911847/